Anrufbeantworter

Beim Aufkommen der ersten Anrufbeantworter früher war das so: Wer nicht direkt damit beschäftigt war, lästerte über sie. Oder schüttelte still den Kopf. Inzwischen nutzen wir alle Anrufbeantworter. Auch Sabine. Sabine hatte nämlich Geburtstag und sich von Omas Geld einen superneuen Anrufbeantworter geleistet. Einen, der sich ganz leicht und immer neu besprechen lässt (bei unserem alten Gerät ist das ein Unternehmen mit Projektcharakter und Anleitungs- buch). Auf dieses neue Kommunikationsgerät sprach die geburtstäglich gestimmte Sabine nun mit ihrer hellen, frischen Stimme folgende Worte: „Hallo - Du da am an- deren Ende - ich bin bis übermorgen auf Achse und Dienstag zurück." (Sabine wurde 18 Jahre jung, muss man anlässlich ihrer forschen Anrede wissen, und rechnet nur den Ihren als Anrufern). Anlässlich Sabines Anrufbeantworter-Kommunikation („Hallo Du da - am anderen Ende") sammelte ich in einem Kurzschnellrundruf bei Bekannten und Kollegen Erfahrungen mit und kam zu dem Schluss, wie meine Mutter früher (allerdings in anderem als technischem Zusammenhang): Sage mir, was und wie Du auf Deinen Anrufbeantworter sprichst - und ich sage Dir, wer Du bist! Natürlicherweise sind die interessantesten Hörangebote auf Anrufbeantwortern die abweichlerischsten. Zum Beispiel meldete sich Peter mit: „Gott sei Dank - ich bin nicht da, denn ich telefoniere so ungern. Versuchen Sie ein ander Mal ihr Glück." (Er war immer schon eine ehrliche Haut, der Peter). Oder Isa. „Sie sprechen mit dem Anrufbeantworter der Telefonnummer 2 62 48...äh... nein, Nummer der 26... auch nicht... also die Nummer, die Sie sprechen, ist 2 63 48... stimmt das eigentlich? (hier höre ich Isas Stimme sich hilfesuchend weg und einer anderen Stimme im Hintergrund zuwenden. Isa war schon in der Schule nie bei der Sache...). „Ruthchen" Direkt im Schlafzimmer glaubte ich mich bei Ruth S., deren Stimme ist normalerweise sehr, sehr diszipliniert und ruhig, auf dem Anrufbeantworter (heute) aber das Gegenteil. „Hier ist... lass doch mal, Mensch (Kichern). Lass mich doch nur einmal kurz los... also hier ist (erneutes Kichern und eine Männerstimme gleich neben Ruths Stimme in meinem Telefonhörer, die sagt)... Blödhammel... (Ruths Stimme). Na - ich habe dann ähnlich rücksichtsvoll aufgelegt wie bei der verwirrten Isa. Immerhin, Ruth ist Stadträtin (Grüne) in einer Heidestadt und irgendwie erschien mir Kommunalpolitik schmackhaft. Perole, dieser Filou, der legt es auf diese Art Telefon-Erotik mit Absicht an. Da dringen eindeutige Stöhngeräusche in die Muschel (meines Telefons) und wie mir Dorothea, die ihn besser kennt, sagte, hat sich Ole für diesen Streich einen Freund ausgeliehen, der das Hintergrundstöhnen - unterbrochen von Meldeversuchen des Ole - organisiert. Ole ist Pennäler und außer- dem Jäger. Er hat von daher immer schon Stimmen nachgeahmt. Es gibt in diesem Sammelsurium von Anrufbeantwortungen auch die Komponente der Veränderung mit dem Alter. Zum Beispiel die Kollegin Susanne M. „Gehts gut?" hörte ich auf ihrem Anrufbeantworter in fff-Form (frisch, fröhlich, fromm bzw. frech, forsch, frei). Dann sagte Susannes Stimme: Mir gehts auch gut, bin aber leider nicht da. Vielleicht sehen wir uns mal, um uns ausführlicher zu sagen, wie es uns geht? (ohne Piepton)" Unnötig zu sagen, daß Susanne was mit Sprechstunde zu tun hat. Allerdings ist Ansage schon ein Weilchen her. Inzwischen ist Susanne Professorin und ihr Ansagestandard seriöser. Und deshalb natürlich gleichzeitig langweiliger.

04. Juni 1996